Musen
Doris Runge

der abendhimmel

ein geschlachteter hahn
gefährlicher übermut
die götter zu wecken
mit einem schrei

(Aus dem Lyrikband „du also“ –
erschienen bei DVA)

Kerstin Hensel

MICKEL

Der Narr ist tot. Wie alles
Was Antwort gibt hinterließ er
Einen Tritt
Auf der Kehle
Der harmlosfröhlichen Menschheit.

(Aus dem Lyrikband „Bahnhof verstehen“ –
erschienen im Luchterhand Literaturverlag)

Doris Runge

orpheus

ein spiel
mann nicht herz
genug
schaute zurück
verlor
und gewann
sein lied

immer
ein spiel
man verliert
damit es
singt

(Aus dem Lyrikband „du also“ –
erschienen bei DVA)

William Butler Yeats (1865–1939)

Death
Nor dread nor hope attend
A dying animal;
A man awaits his end
Dreading and hoping all;
Many times he died,
Many times rose again,
A great man in his pride
Confronting murderous men
Casts derision upon
Supersession of breath;
He knows death to the bone –
Man has created death.

Andreas Gryphius (1616–1664)

Es ist alles eitel

Du siehst, wohin du siehst, nur Eitelkeit auf Erden.
Was dieser heute baut, reißt jener morgen ein:
Wo jetzt noch Städte stehn, wird eine Wiese sein,
Auf der ein Schäferskind wird spielen mit den Herden.

Was jetzt noch prächtig blüht, soll bald zertreten werden.
Was jetzt so pocht und trotzt, ist morgen Asch’ und Bein,
Nichts ist, das ewig sei, kein Erz, kein Marmorstein.
Jetzt lacht das Glück uns an, bald donnern die Beschwerden.

Der hohen Taten Ruhm muss wie ein Traum vergehn.
Soll denn das Spiel der Zeit, der leichte Mensch, bestehn?
Ach! Was ist alles dies, was wir für köstlich achten,

Als schlechte Nichtigkeit, als Schatten, Staub und Wind;
Als eine Wiesenblum’, die man nicht wieder find’t.
Noch will, was ewig ist, kein einzig Mensch betrachten!